„Würde sich schon lässig anhören“: Kapitän Nitzinger im Interview über Bezirksliga-Traum

Tobi Nitzinger (rechts) in einem Kreisliga-Derby gegen Oberteisendorf. Foto: Hans-Joachim Bittner

SC Anger startet in die Kreisliga-Rückrunde – und Kapitän Tobi Nitzinger hat große Ziele! Im Interview mit beinschuss.de spricht er über seinen Werdegang, über den Traum von der Bezirksliga, die Chancen seines Teams und warum der Aufstieg „schon lässig“ wäre.

Anger – Seit dem Kreisliga-Aufstieg vor vier Jahren gehört Tobias Nitzinger zum Kapitäns-Quartett des SC Anger. Da mit Schorsch Kuglstatter der erste Spielführer aus diesem Kreis lange verletzt war – Simon Koch und der noch immer angeschlagene Mike Schrodt gehören ebenfalls dazu –, trug der 26-Jährige in dieser Saison stets die Leaderbinde am linken Oberarm.

Ein Amt, welches Nitzinger sachlich, ruhig und mit Bedacht ausführt, in erster Linie als Sprachrohr zwischen Mannschaft und Trainer Andi Brandl: „Ich mache das gern, sehe mich in dieser Rolle. Weil es mir wichtig ist, dass sich das Team versteht. Als Kapitän habe ich darauf einen größeren Einfluss.“ Das Amt an sich sei sekundär: „Ich will einfach meine Meinung ein wenig mehr mit einbringen, immer mit dem Ziel eines guten Zusammenhalts und nachhaltigen Erfolges.“

Anger: Kreisliga-Kapitän Nitzinger im Interview über Bezirksliga-Traum

Am Freitag (7. März), 19 Uhr, tritt das im Schnitt 25 Jahre junge Sportclub-Team gegen Spitzenreiter SV Aschau/Inn an: „Auf dieses Spiel sind wir extrem heiß, wollen es unbedingt gewinnen“, sagt der Bank-Filialleiter im Frühjahrsstart-Gespräch mit beinschuss.de.

Herr Nitzinger, wie kamen Sie zum Fußball?

Tobias Nitzinger: Seit ich denken kann, hatte ich einen Ball im Zimmer. Das lag daran, dass mein Bruder Andi früh mit dem Fußball begonnen hatte. Und wenn das der zwei Jahre ältere Bruder macht, ist das erst mal interessant. Dieses Interessant-Sein ging rasch ins Spaß-Machen über. Das war auch mal vorbei, doch rasch fand ich zurück in die Fußballschuhe und bin bis heute dringeblieben. Meine Freunde spielten, heute kicke ich mit ihnen in der Ersten, mit einem Flo Hinterstoißer oder Schorsch Kuglstatter. Fußball ist einfach ein Wahnsinns-Sport und hat so viel mehr als nur den sportlichen Aspekt. Man hat Regeln, das Thema Erziehung ist ein zentrales, es ist viel mehr als nur Elf gegen Elf.

Wie ist es, mit dem großen Bruder auf dem Platz zu stehen?

Nitzinger: Das macht extrem viel Spaß. Und ich bin froh, dass er jetzt nach seiner Verletzung zurück ist. Wir verstehen uns blind, er weiß, was ich mache und umgekehrt, ohne während des Spiels viel zu reden. Jeder weiß, was er zu tun hat. Das ist ein gegenseitiges Stück Sicherheit, aber das gilt für die ganze Mannschaft.

Wenn man in Anger aufwächst, ist man irgendwo erstmal ein potenzieller Ringer – war das für Sie ein Thema?

Nitzinger: Mein Opa, der Baumgartner Sepp, war ein guter Ringer. Und meine Oma war immer irgendwie in einem Zwiespalt, zwischen Ringen und Fußball, schaute beides an. Meine Mutter wuchs entsprechend auf. So kamen wir Söhne irgendwie rasch zur Ballsportart. Das Ringen war für mich selbst nie eine Ambition, aber ich schau es mir regelmäßig an – weil es einfach zu Anger und dem Sportclub gehört. Wir Fußballer haben eine enge Verbindung zu den Ringern, spielten schon gegen sie Fußball und besuchten im Gegenzug ein Athleten-Training.

Von außen scheint es ohnehin so, als hätten Sie in Anger einen enormen Zusammenhalt. Und die Spieler widerstehen auch mal lukrativen Wechsel-Angeboten. Wie erklären Sie sich das?

Nitzinger: In Vereinen gibt es immer ein Auf und Ab. Ein Grund des Zusammenhalts im ganzen Verein – wir machen beispielsweise beim Angerer Triathlon oder beim Stoißer Alm-Berglauf mit – ist sicher, dass wir uns gut verstehen: Auch neben dem Fußballlatz, neben der Ringermatte, übergreifend in allen Abteilungen. Das ist sicher ein Erfolgsgeheimnis.

Sie wirken als Kapitän eher ruhig, in den Spielen, genauso wie Trainer Andi Brandl.

Nitzinger: Also ich bin schon manchmal heiser, nach den Spielen, „schreie“ schon viel rum. Vielleicht wirkt es von außen aber nicht so. Wir sind grundsätzlich keine laute Mannschaft, konzentrieren uns auf unser Ding. Erfolg hat ja nichts mit Lautstärke zu tun. Der Andi macht seine Ansage vor dem Spiel in der Kabine und weiß, dass wir während der 90 Minuten gar nicht so viel davon brauchen. Wir sind keine Profis, besitzen aber mittlerweile eine gewisse Erfahrung, weil wir schon lange in dieser Grundformation zusammenspielen.

SC Anger ist die fairste Mannschaft der Kreisliga 2

Sie sind aktuell die fairste KL2-Mannschaft: Kein Rot, kein Gelb-Rot. Das sah in der letzten Saison ganz anders aus, mit je viermal Rot und Gelb-Rot. Haben Sie nach der Saison darüber geredet, irgendwas geändert?

Nitzinger: Wir haben tatsächlich darüber geredet und im Nachgang geschmunzelt. Alle Roten Karten waren berechtigt, keine Frage. Aber wir haben deshalb noch lange nicht brutal und unfair Fußball gespielt oder irgendjemanden beleidigt. Es war kurzen, unglücklichen Situationen geschuldet, es passiert doch meist in Bruchteilen einer Sekunde. Durch unsere Roten Karten hat sich nie jemand wirklich ernsthaft wehgetan. Wir sind eine faire Mannschaft, wollen Spielfluss erzeugen, müssen nicht grätschen und meckern. Letztlich ist der aktuell 1. Platz in der Fairnesstabelle nur ein Nebenschauplatz und nicht wirklich wichtig.

Eine vielleicht etwas provokante Frage: Welches „Problem“ haben Sie mit Reichenhall? In den letzten sieben Pflichtspielen konnten Angerer Teams nicht einmal dieses für Sie wichtigste Derby gegen den TSV gewinnen (zwei Remis, fünf Niederlagen) – obwohl Sie tabellarisch teils weit besser dastanden?

Nitzinger: Wir haben natürlich nicht wirklich ein Problem mit Reichenhall. Das ist eine gute Mannschaft, die aktuell sicher unberechtigt so weit unten steht und nicht in den Tabellenkeller gehört. In dieser Kreisliga kann aber jeder jeden schlagen, und natürlich kann man gegen Reichenhall immer verlieren, das ist keine Schande. Selbstverständlich wollen wir dieses Derby gewinnen, es wird mal wieder Zeit.

Wie schafft es der SC Anger wiederholt, sehr gute Spieler, die sich schwer verletzten und lange fehlen, so gut zu ersetzen? Da kommt dann ein junger Spieler wie beispielsweise der Florian Auer rein, ist sofort zu 100 Prozent integriert und spielt seinen Part, als wäre er schon lange dabei.

Nitzinger: Das spiegelt die Leistung unserer Trainer in der Zweiten wider: Marcel Hühn und Silas Schöndorfer. Sie bringen eine wahnsinnige Trainings- und Spielfreude in die Resi. Die Beteiligung ist gewaltig, es kommen dadurch viele Ehemalige zu uns zurück. Übrigens ein Ziel von Abteilungsleiter Andi Sprinzing, der sagt, die Spieler, die in Anger wohnen, sollten in Anger spielen. Für die Leute aus der Zweiten ist es natürlich cool, wenn sie in der Ersten drankommen. Sie bringen immer sofort neues Feuer rein. Nichtsdestotrotz freuen wir uns immer sehr, wenn Langzeitverletzte ins Training zurückkehren.

SC Anger träumt vom Aufstieg in die Bezirksliga Ost

Sie wirken seit zwei, drei Jahren extrem gefestigt. Was hat sich mit der Übernahme Ihres Teams durch Coach Brandl verändert? Was hat er verändert?

Nitzinger: Der Andi ist menschlich überragend. Als Respektsperson wahrt er trotzdem eine gesunde Distanz zu uns Spielern. Er überlässt uns gewisse Freiräume, wir können uns ein Stück weit austoben. Für mich kann ich sagen, dass es immer einen engen und guten Austausch gibt. Natürlich gibt es auch mal etwas, das nicht passt. Aber dann kann man immer sehr gut mit dem Trainer reden. Er lässt das zu und sich darauf ein, wenn wir beispielsweise etwas ändern wollen. Der Andi passt mit seiner ruhigen Art einfach perfekt in unser Spiel. Wenn wir – wie in Tacherting – zur Pause 1:4 zurückliegen, schreien wir uns nicht 20 Minuten lang an und machen uns gegenseitig schlecht, sondern schauen in Ruhe, was wir ändern können.

Stichwort Tacherting: Ein besonderes Heimspiel der Frühjahrsrunde wird für Sie möglicherweise jenes gegen den SV Linde am 25. April. Weil Sie nach dem 1:5 im Hinspiel noch eine besondere Rechnung offen haben…

Nitzinger: Absolut. Die Motivation für dieses Spiel ist irre. Wenn man so eine Klatsche bekommt, freut man sich umso mehr, nochmal eine Chance gegen diese Mannschaft zu bekommen – und daheim auflaufen zu dürfen. Da werden wir 90 Minuten durchpowern, um die drei Punkte zu holen.

Gegen Surheim (2:0) hatte der intensive Analyst Andi Brandl die Taktik ausgegeben, dem Gegner den Ball zu überlassen und auf Konter zu lauern. Wie schwer fällt es, taktische Vorgaben einzuhalten, die gegen die sonstige Spielweise spricht?

Nitzinger: Wir sind eine Mannschaft, die Fußball spielen und den Ball haben will. Wenn wir dann taktisch etwas ändern, reden wir vorab darüber, und im Training wird das schon vorab so gemacht. Eine unerwartete Taktik kann recht spannend sein. Wenn dann alle mitziehen und wir das als Einheit umsetzen, macht sowas sogar richtig Spaß. Das Surheim-Spiel war zäh, aber wir haben gewonnen – umso schöner. Das heißt freilich nicht, dass wir das immer so machen müssen.

Sie schnupperten letzte Saison als Kreisliga-Vizemeister an der Bezirksliga, „scheiterten“ erst in der Relegation. Für einen relativ kleinen Dorfverein ist diese fraglose Sensation heuer erneut möglich. Reden Sie in der Kabine über den Aufstieg?

Nitzinger: Generell will ich jedes Spiel gewinnen. Es wäre kein Beinbruch, schaffen wir es nicht. Wir haben keinen Druck seitens des Vorstands oder Trainers. Die Kreisliga macht sicher mehr Spaß, mit all den Derbys. In der Bezirksliga fährst du jede zweite Woche nach München. Aber natürlich reden wir über die Möglichkeit. „Bezirksliga-Verein SC Anger“, diese Schlagzeile würde sich schon richtig lässig anhören, für den SCA und jeden, der damit zu tun hat. Nach der starken letzten Saison und wie wir aktuell dastehen, glaube ich, absolut darüber reden zu dürfen. Es ist kein Ziel, aber eine Möglichkeit. Wir haben Potenzial.

Bericht: Hans-Joachim Bittner

https://www.bgland24.de/sport/beinschuss/kreisliga-2/anger-kreisliga-kapitaen-nitzinger-im-interview-ueber-bezirksliga-traum-93608862.html

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